Cozumel – Part Beat

If (!= Martina OR Beat) {Disclaimer}

Nachdem unsere erste Woche sehr detailliert beleuchtet wurde, ist es nun Zeit für eine höhere Flughöhe.

Das Wichtigste vorweg:
Mexiko als Land, Kultur, Gesellschaft ist schlichtweg genial. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben aaaber was wir bisher davon erleben durften ist einfach super. Nach bisher vier Besuchen mit insgesamt knapp drei Monaten Aufenthalt wurden wir auch bei unserer erneuten Rückkehr vom genau gleich freundlichen, bunten, lebendigen Mexiko empfangen, dass wir jeweils zurückgelassen hatten. Eine unglaubliche kulturelle Vielfalt, die als mesoamerikanischer Kulturraum tausende von Jahren zurückreicht und auch heute (trotz dem jahrhundertelangen «Werk» der Conquistadores) noch lebendig ist! In der Gegenwart ein quirliges, aufstrebendes Schwellenland mit mehr als 130 Millionen Einwohnern in dem die Uhren gleichzeitig schneller und langsamer laufen. Die Phrase «Man kann es schwer beschreiben, man muss es erlebt haben.» ist arg strapaziert, hat aber in Bezug auf Mexiko eine gewisse Berechtigung…

Alles neu macht die Insel

Nun gut, nach all den intellektuellen Schwärmereien wird man vom Alltag dann wieder sachte auf den Boden der Realität zurückgeholt. Da wir drei Monate auf Cozumel verbringen dürfen, fühlt es sich definitiv nicht wie Ferien sondern eher wie «hier Leben» an. Und damit gehen auch hier alle ganz profanen Dinge eines Schweizer Alltags (minus Arbeit 😉) einher; wo gehen wir Einkaufen, was gibt es in mexikanischen Supermärkten überhaupt im Angebot und was nicht?


Einschub “Nastüchli-Wirtchaft”

In der Schweiz betreibt meine bessere Hälfte eine veritable Nastüchli-Wirtschaft; für alles wird ein Nastüchli gebraucht, haben wir IMMER dabei, der Verbrauch wird in kg/Monat gemessen. Die Mexikaner kennen aber keine Nastücher. Gibt es hier einfach nicht. Punkt. Das tönt nun super trivial, soll aber anhand dieses einfachen Beispiels illustrieren, wie liebgewonnene Gewohnheiten im Alltag eines fremden Landes ein bisschen durcheinanderkommen können. Nicht schlechter, nicht besser, anders.


Wie bewegt man sich auf der Insel fort (Moto Taxi), wie funktioniert die Müllabfuhr (kommt jeden zweiten Tag im Vergleich zu alle zwei Wochen in Zürich, das aber mit gutem Grund… 😜), wie komme ich zu einer mexikanischen Telefonnummer (Abonnement nur mit mexikanischem Bankkonto möglich, tja)? Das herauszufinden braucht alles seine Zeit.

Wer erkennt die Passagierin?

Aber all dies, was ich in der Schweiz als belastend da Zeitverschwendung empfinden würde, hat in unserer Auszeit seinen berechtigten Platz. Weil beim Abklappern der verschiedenen Mobiltelefon-Shops und dem nötigen «drei Mal vorbeikommen, immer neue Angestellte befragen, weil die einzige verantwortliche Person nie da ist», geschieht unbewusst genau das, auf was wir aus sind: Das Eintauchen in die Lebensrealität hier vor Ort. Das ist etwas, das in den «normalen» Ferien selten bis nie geschieht. Und für mich definitiv einen Teil des Reizes eines solchen Aufenthaltes ausmacht.

Ein ganz normaler Tag

Die Ausgangslage: Die Insel ist sehr überschaubar und bietet keine grösseren Sehenswürdigkeiten ausser einem der schönsten Strände der Welt. Da mich Strände im Allgemeinen aber ziemlich kalt (korrekt wäre: heiss) lassen und die cozumelanischen Strände entweder keinen Schatten oder dann hohe (Resort-)Mauern drumherum haben, habe ich diese in den bisherigen zwei Monaten erst 4x mit meiner Anwesenheit bedacht. Aber deswegen bin ich ja auch nicht hier…. 😉

Einer meiner vier Strandausflüge, hier im Buccanos

Eine berechtigte Folgefrage könnte lauten; ja für was dann? Zu Illustrationszwecken versuche ich meine alltäglichen Tätigkeiten in einen Prototyp-Tag zu packen.

Der Morgen beginnt meist um ca. 7 Uhr mit einem Spaziergang, um meine ersten 5000 Schritte des Tages abzuholen. Weshalb so früh, mag sich der geneigte Leser fragen? Es hat mit der Temperatur zu tun, siehe weiter unten. Dazu darf eine kleine Dosis Blockchain mittels interessantem Podcast zu Themen wie Sequencer Decentralization oder MEV nicht fehlen. Danach setze ich mich an meine Kommandozentrale und bereite meine Spanischstunde vor, welche ich mit Laura, einer netten Künstlerin / Spanischlehrerin aus Mexiko City, bestreite.

Arbeitspult aka “Kommandozentrale”

Noch kurz ein bisschen Voki gebüffelt und es ist auch schon Zeit für meinen Ausflug ins EGO Gym! Ein echter Glücksgriff; ein lokales Fitnesscenter mit netten Leuten und anständigen Geräten ohne aber zu einer der grossen mexikanischen Fitnesscenter-Ketten wie z.B. Smartfit zu gehören. Train local. 💪

Der Hunger meldet sich und ich pilgere in die Cocina Económica meines Vertrauens, den «Super Hit Succursal II».


Einschub “Cocina Económica”

Die Cocina Económica ist eine typisch mexikanische Einrichtung und findet sich so in vielen Lateinamerikanischen Ländern wieder. Es ist eine Mischung aus Street Food Stall und Restaurant, meist mit Sitzplätzen und überdacht aber teilweise offen zur Strasse hin. Türen is nix, am Abend wird einfach ein Gitter zugezogen, Vorhängeschloss dran und gut ist. Es wird sehr bodenständig aber super lecker gekocht und wie der Name bereits verrät, zu sehr überschaubaren Preisen. Mein Standardmenu mit Enchiladas rojas con Pollo und 1l Wasserflasche kostet 110 MXN, das sind ca. 4.70 CHF.

El Super Hit Succursal II
Chilaquiles, geht auch immer…

Alle dieser Einrichtungen scheinen immer gut besucht zu sein, gefühlt isst der Mexikaner hier, wenn er auswärts geht. Oder bestellt vor und kommt es mit dem Moto abholen. Restaurants mit geschlossenen Räumen und Klimaanlage sind entweder speziellen Anlässen wie Geburtstagen vorbehalten. Oder halt den Gringos mit US Dollars im Gepäck… 😉


Zurück in der «Kommandozentrale» ist es Zeit für eine zweite Dosis Blockchain. Ich bastle aktuell an einem Projekt rund um das Thema «On-Chain Sparschwein». Zu viel kann ich logischerweise noch nicht verraten, da ich mich wie jedes anständige Startup zu Beginn in der Stealth-Phase befinde. Spass beiseite; ich wollte mich schon lange Hands-On mit der Technologie auseinandersetzen und einen Smart Contract in der Programmiersprache Solidity schreiben. Und mit einem konkreten Projekt an der Hand ist der Motivationsfaktor um Faktoren grösser. Eine Kommerzialisierung steht nicht im Vordergrund, sondern möglichst viel zu lernen. Es macht einfach verdammt viel Spass! 😇

Abends bleibt dann Zeit gemeinsam mit meiner besseren Hälfte die Trenta zu erforschen und dabei Food-technisch allerlei neue Örtlichkeiten zu entdecken. Sie verläuft gleich eine Querstrasse hinter unserem Haus und hat ihren ganz eigenen Charme, vor allem am Abend. Es ist klar eine Durchgangsstrasse: Viel Verkehr, das Trottoir, falls vorhanden, sehr eng und die Dichte an Lokalen ist zwar hoch aber diese liegen meist ca. fünfzig bis hundert Meter auseinander. Oder anders formuliert; es ist jetzt keine italienische Strandpromenade. Dennoch, es hat einfach was. 100% Vida Mexicana.

Die Trenta wie sie leibt und lebt…
Unsere absolute Lieblings-Taqueria “Los Arcos”

Sonntag ist hier noch der Tag des Herrn, für mich als der Kirche verloren gegangene Seele eher Velotag. Die Stimmung Morgens um sechs Uhr in der verschlafenen Stadt und auf der Transversal darf man durchaus als mystisch bezeichnen.

Irgendwo im Suburbia von San Miguel, die Stadt hat immerhin ungefähr die Einwohnerzahl von Winterthur
Die Transversal am Morgen

45 Minuten Insel durchqueren mittels Transversal und schon ist man auf der wilden Westseite, die weder Strom noch Handyempfang kennt. Der eigens für Velofahrer angelegte Weg entlang des Meeres ist einfach nur episch, weit entfernt von jeglicher Menschenseele.

Velo-Porn

Nach gut 65 Kilometern (entspricht ungefähr einer Runde um den Zürichsee via Seedamm) und ca. 3 Stunden Fahrzeit komme ich jeweils komplett nass und kaputt, aber glücklich zurück.

Meine Beschreibung hat jetzt natürlich nur auf meinen Tagesablauf fokussiert. Martina hat ihren ganz eigenen Alltag mit ihrer Doppelausbildung zum PADI Divemaster &  Instructor; immer unterwegs, entweder auf oder über dem Wasser oder im Klassenzimmer. Über «la vida de una instructora de buceo» wird meine bessere Hälfte gerne selbst berichten. Stay tuned!

Unsere Nachbarn, die Cozumeleños

Ganz wichtig: Wie oben angetönt sind es die vielen kleinen Begegnungen mit den Einheimischen, die den mexikanischen Vibe ausmachen. Aufgrund meiner eher noch rudimentären Spanischkenntnisse (ja, ich kann ein Verb unterdessen im Pluscuamperfecto konjugieren, eine flüssige Konversation zu führen ist aber eine ganz andere Hausnummer) sind das bisher jeweils eher kürzere Interaktionen. Das reicht aber bereits mehr als aus, um die authentische Freundlichkeit und Lebensfreude der Mexikaner spüren zu dürfen. Auf all unseren bisherigen Reisen durch Europa, Russland, China, Südostasien, den angelsächsischen Ländern, dem Baltikum, Zentral- und Südamerika ist uns neben den Kolumbianern wahrscheinlich kein Völkchen begegnet, dass eine derart ausgeprägte Willkommenskultur und sprichwörtliche Gastfreundschaft lebt, wie die Mexikaner. So ist zum Beispiel auch in Südostasien das Lächeln immer präsent, aber die Freundlichkeit ist hier einfach irgendwie authentisch und nahbar… Es ist schwierig zu beschreiben aber wir fühlen uns hier einfach wohl!

Das Klima-Paradox

Na ja, dazu muss ich wohl doch noch kurz was sagen. Es ist heiss. Sehr heiss. Und feucht. Sehr feucht. Wenn die Temperatur morgens vor Sonnenaufgang (rein theoretisch der kühlste Zeitpunkt des Tages) auf 26 Grad Celsius fällt ist gut. Muss aber nicht.

Als Schweizer gibt es hier ein Klima-Paradox zu verstehen: Wann immer es schönes Wetter ist in der Schweiz, rennen alle nach draussen, um ja keinen Sonnenstrahl zu verpassen. Ein Tag drinnen verbringen zu müssen, während draussen die Sonne scheint, gilt schon fast als Höchststrafe. Ich als jemand, der nicht gerade in die Kategorie Sonnenanbeter fällt, wollte diesen «draussen sein und das schöne Wetter geniessen»-Lifestyle mal so richtig kennen- und möglichst schätzen lernen. Leider ist auf Cozumel tagsüber niemand draussen. Zumindest niemand der nicht muss. Es ist einfach viel zu heiss. Sport kann draussen bis vielleicht 9 Uhr morgens und am Abend wieder ab ca. 20 Uhr gemacht werden. Auch sonstige Bewegung tagsüber wird ab etwa 15 Minuten mit einem nassen T-Shirt belohnt. Und mit nass meine ich nicht feucht, sondern nass. Nach dem 10-minütigen Fussweg ins Fitnesscenter wechsle ich auf ein trockenes T-Shirt, um mich damit dem dort herrschenden arktischen Sturm der Klimaanlagen auszusetzen. Merke: Wer es sich hier leisten kann, der ist in der Kühle.

Unser “Haus-Park”, der Parque 3 de Mayo, in seiner mittaglichen Vollbesetzung

Easy, überhaupt kein Beinbruch. Darauf kann man sich einstellen. Nur ein weiteres Beispiel dafür, dass man sich die Dinge zu Hause auf dem Sofa manchmal ein bisschen anders ausmalt.

An alle Schlauberger: Ja, ich habe die Klimatabelle vorgängig konsultiert. Jetzt weiss ich auch wie sich diese Zahlen anfühlen… 🤣

En Casa

Ganz wichtig für das seelische Wohl, zumindest wenn man mehrere Monate darin verbringen will; eine Unterkunft mit Wohlfühlfaktor. Und das haben wir mit unserer kleinen Casita (Achtung: Untertreibung 😉) unserer netten Vermieterin Elisabeth definitiv bekommen! Sie bewohnt den unteren Stock, wir durften uns oben einquartieren. Elisabeth war ein Goldschatz; hat uns mit allen möglichen Tipps versorgt und war immer da, wenn es irgendwo geklemmt hat. Und durch den Hurricane (siehe vorhergehender Bericht) hat sie uns auch begleitet. Vielen Dank an dieser Stelle, liebe Elisabeth!

Zusammen im K’ooben Laab feine hausgemachte Tagliatelle gegessen, da lacht das italienische Herz

Wichtig auch im Kontext meines Tagesablaufes, der sich häufig zu Hause abspielt. Mein erster Impuls bei der Besichtigung war ja «die Wohnung ist nicht so wichtig, denn es ist ja immer schönes Wetter und ich werde sowieso viel draussen sein». Hahaha, tja…. Ich bin froh haben wir uns für diese ein bisschen teurere aber unglaublich tolle Variante entschieden.

Aber lassen wir einfach die Bilder sprechen:

Die Bauherrin hat einen Meter höher als die Strasse bauen lassen. Beim ersten Regen haben wir gesehen wieso… 😂
Unsere wunderschöne Dachterrasse

Fazit

Ok, ok, ich gebe es zu, der Bericht zu Cozumel ist ein bisschen länger ausgefallen. Zu meiner Verteidigung: Es ist auch unser längster durchgehender Aufenthalt an einem Ort ausserhalb der Schweiz. Der bisherige Rekordhalter Cartagena in Kolumbien schlug mit gut einem Monat zu Buche. Das entspricht unserem Vorsatz, langsamer zu reisen, um noch mehr eintauchen zu können.

Alles in allem ein perfekter Start in unser mexikanisches, lateinamerikanisches Abenteuer!! Klar, es brauchte eine kurze Akklimatisationsphase, es gab ein paar wenige Tiefen und viele Höhen! Und es war auch ein sehr fairer, verdaubarer Start: Die «Disneyland Mexico» Einschätzung aus unserem ersten Besuch der Insel hat sich mehrheitlich bewahrheitet. Und das in einem positiven Sinne!

Als nächstes steht ein einmonatiger Aufenthalt in Mexico City auf dem Programm, da wird nochmals an unseren Sprachkenntnissen gefeilt. Wohin genau in Mexiko es uns danach verschlägt ist noch offen. Aus unseren bisherigen Erfahrungen zu schliessen, ist das aber auch gar nicht sooo entscheidend; viel Kultur und herzliche Menschen gibt es überall in Mexiko zu erleben…

Próxima parada; Ciudad de Mexico!