Nach der sehr aktiven, bunten und spannenden Zeit in Guatemala stand uns der Sinn wieder Mal nach einem längeren Aufenthalt. Ein Kollege hatte dafür auch bereits den passenden Tipp auf Lager; San Juan del Sur in Nicaragua! Das würde aber heissen, dass wir sicher El Salvador und eventuell auch Honduras auslassen. Hhhmm, schwierige Frage…
El Salvador als das berüchtigtste Land Zentralamerikas in Bezug auf seine Bandenkriminalität (mit Maras wie MS-13 und Barrio 18) und zweifelhaften Auszeichnungen wie «tödlichste Stadt der Welt 2015» stand nicht besonders hoch auf unserer Liste, aber Honduras? Eine kurze Recherche zeigt, dass Honduras nicht gerade mit Must-see’s gesegnet ist, aber die zwei Karibikinseln Utila und Roatán für Martinas Tauchgelüste durchaus von Interesse sein könnten. 😉 Die Strecke von der Hauptstadt Tegucigalpa in den Fährhafen La Ceiba ist mit 400km resp. optimistischen sieben Stunden Busfahrt eher lange. Und sollten wir die letzte Fähre verpassen, spricht das aktuell dort herrschende Emergency Law gegen eine gemütliche Übernachtung… Ok, Nicaragua it is! Wir buchen uns einen Flug mit der Backpacker-Budget-freundlichsten Airline, in diesem Falle TACA (noch nie gehört aber die fliegen, das können wir bezeugen 😂), und siehe da! Wir kommen dank einer Zwischenlandung auf dem Aeropuerto San Óscar Arnulfo Romero y Galdámez doch noch in den Genuss eines (wenn auch sehr kurzen) Aufenthaltes in El Salvador.
Exkurs El Salvador
El Salvador hat mich dann nicht ganz losgelassen, bin ich in den letzten Jahren doch immer wieder über Informationsbrocken gestolpert. Mehrheitlich im Zusammenhang mit den Bitcoin Abenteuern seines jungen und eher exzentrischen Präsidenten Nayib Bukele. Auch die Menschrechtslage ist aufgrund seines sehr harten Durchgreifens gegen die Maras sehr schwierig. Mit 1.8% der Gesamtbevölkerung hat El Salvador eine der höchsten Inhaftierungsraten der Welt, es kommt zu Massenverhaftungen und Personen werden Jahre ohne Gerichtsverfahren festgehalten, etc. etc. Und seit Anfang 2025 werden Kinder in Gefängnisse für Erwachsene gesteckt, was mir doch sehr problematisch erscheint.
ABER, und das war mir nicht bewusst, die Sicherheitslage hat sich extrem verbessert! Aus den 6’700 Mordfällen in 2015 wurden 114 im Jahr 2024. Wow… Das muss bei einer Politik der Repression nicht zwingend der Fall sein, siehe als abschreckendes Beispiel den «War on Drugs» des mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón. In El Salvador jedoch scheint sich die Zivilgesellschaft mithilfe des sehr unzimperlichen Einsatzes der Sicherheitskräfte so etwas wie einen Alltag zurück erkämpft zu haben.
Hätten wir das Land also doch besuchen sollen? Obwohl es für Touristen heute sicher zu sein scheint, ist es immer noch eine sehr verletzte Gesellschaft und das Regime des netten jungen Nayjb auch nicht über alle Zweifel erhaben. Ich überlasse das jedem persönlich, ob diese Mischung für einem stimmt, ich für mich selbst bin mir da nicht sicher.
San Juan del Sur
Nach der Landung in Managua ging es direkt nach San Juan del Sur, diesmal im durch unser Airbnb vorab arrangierten Privattransfer. Man gönnt sich ja sonst nichts als Backpacker… 😇 Die gut zweieinhalbstündige Autofahrt verging wie im Flug. Wir mögen ein, zwei Mal eingenickt sein, waren aber auch bereits seit 04:30 auf den Beinen. Und vielleicht besser bei der Fahrweise unseres 120kg Luis Hamilton. Zwei Dinge sind sofort ins Auge gestochen; die Leute sind hier um einiges ärmer als in Guatemala, den ersten Pferdewagen zum Warentransport haben wir ca. 10min ausserhalb von Managua angetroffen. Und der Plastikmüll ist leider allgegenwärtig, egal ob am Strassenrand, in den Dörfern oder auch am Malecon von Granada.
Mein Ziel für diese zwei Wochen war, mein Blockchain Projekt so weit wie möglich voranzutreiben. Am Ende sollten funktionierende Smart Contracts stehen und diese auf einer realen Blockchain deployed sein. Spoiler Alert: Das hat geklappt… 💪
Viel wichtiger, wie hat mein Büro / Martina’s Lounge denn ausgesehen? Martina hatte, wie so häufig, ein glückliches Händchen bei der Auswahl unserer Unterkunft bewiesen und diese hatte alles, was es für zwei angenehme Wochen braucht!
Eine super schöne Anlage mit Pool (leider nie gebraucht, sorry Thomy) und in Gehdistanz zum Dorf, Flussquerung mit Fährman inklusive.

Wir haben uns so wohl gefühlt, dass wir fast vergessen haben, nicht zu Hause in der Schweiz zu sein. Oder waren wir vielleicht ein bisschen in der Schweiz?
Meiner Einschätzung nach ist San Juan del Sur eine der bekannteren Tourismusdestinationen von Nicaragua, vor allem bei Surfern ein sehr beliebter Ort. Abseits der Hauptverkehrsachsen hört es dann aber schnell auf mit asphaltiert.
Das kann man natürlich auch zu seinem Vorteil nutzen und mit dem ATV über sandige Pisten brettern!
Der damit zu erreichende Strand Playa Hermosa trägt seinen Namen also zu Recht! Und der Beach Club war einfach nur super, trotz der maximal abgelegenen Lokation. Toll, fünf Sterne.
Allgemein hatte die Umgebung von San Juan del Sur ihren Reiz; sehr hügelig und bewaldet. Und immer ein tolles Windchen, was mir persönlich exzellent gefallen hat. Irgendwie erinnerte mich es an die Pazifikküste von Rivieria Nayarit. Nun gut, ist ja auch Pazifikküste, einfach ein bisschen südlicher.

Fazit: Ein sehr angenehmer Aufenthalt, um wieder mal zwei Wochen ein bisschen von der Reise zu pausieren und zu «arbeiten». Arbeiten nicht im Sinne bezahlter Arbeit sondern konzentrierter kognitiver Tätigkeit auf ein Ziel ausgerichtet. Das hat mir unglaublich viel Spass gemacht und diese Kombination ist für mich ein prägendes Merkmal dieser dritten längeren Reise.
San Juan del Sur kann man nun nicht gerade als Schönheit bezeichnen aber die Einwohner sind nett, wenn auch etwas zurückhaltend, und trotz eher einfacher Infrastruktur hat das Dörfchen seinen Charme. Einzig der allgegenwärtige Müll ist schade, barfuss am Strand würde ich nicht empfehlen, sogar eine gebrauchte Spritze haben wir im Sand angetroffen.
Granada
Nach der relativen Abgeschiedenheit von San Juan del Sur durfte es wieder ein bisschen mehr Stadt sein. Perfekt, dass mit Granada die «Kulturhauptstadt» in nur zwei Autostunden zu erreichen ist! Ein wunderschönes Kolonialstädtchen, gelegen am grossen Lago Cocibalco.
Auch unser Hotel war im Kolonialstil gehalten und unglaublich herzig, können wir uneingeschränkt weiterempfehlen!
Der Hotelname «con Corazón» war Programm und es hat sich der Jugendförderung verschrieben; jeglicher erwirtschafteter Gewinn wird für die Bildung lokaler Jugendlicher verwendet. Wie wir auf der Walking Tour (später dazu mehr) erfahren mussten, ist dies auch dringend nötig. In Nicaragua sind nur die ersten sechs Jahre Grundbildung kostenfrei, die Oberstufe muss von den Familien selbst bezahlt werden. Die dafür nötigen 10 – 20 USD im Monat mögen uns als keine grosse Hürde erscheinen, Nicaragua ist aber das ärmste Land, das ich persönlich jemals bereist habe. Mit einem (kaufkraftbereinigten) BIP pro Kopf von ca. 9’300 USD befindet es sich in der Gemeinschaft von Angola und Djibouti, da kommt es auf jeden Dollar an.
Kaum im Hotelzimmer angekommen, musste meine Reisegenossin einen herben Schreck verkraften; beim Ausziehen ihres Schuhes fiel ein Skorpion heraus! 😱
Bei näherer Betrachtung hat es sich zum Glück als die Haut eines Skorpions herausgestellt. Da muss sich während unserer letzten Nacht in San Juan del Sur jemand ein gemütliches Plätzchen zur Häutung gesucht haben.
Nachdem der Puls wieder auf ein einigermassen gesundes Niveau gesunken war, machten wir uns auf, die Stadt zu entdecken. Und wow, Granada ist wirklich sehr hübsch und lädt zum Schlendern ein!
Kirchen sind das kulturelle Hauptexportgut Granadas, hier ein paar besonders schöne Exemplare:
Eines unserer Highlights war (wie so häufig) die Walking Tour, da man nicht nur das Städtchen kennen lernt, sondern, wenn man ein bisschen Glück hat und neugierig ist, auch ganz viel von einem Local über sein Alltagsleben erfahren kann. In Nicaragua gestaltet sich das ein bisschen schwieriger, da es sich nur vordergründig um eine Demokratie handelt. Meine Jugendhelden der Sandinisten haben sich leider korrumpieren lassen, sitzen seit fast 20 Jahren fest im Sattel der Macht und haben Nicaragua zu einer knüppelharten Diktatur umgebaut. Überall gibt es Spitzel und entsprechend ist es nicht weit her mit der freien Rede. Nachdem einem ersten «Abtasten» hat unser Guide aber erstaunlich ehrlich über die Situation gesprochen, wenn auch nur kurz und in sicherer Entfernung zu jeglichen anderen Einheimischen. Die Repression der letzten Jahre war hart, besonders seit den Protesten im Jahre 2018, bei denen schätzungsweise 300 Leute erschossen wurden. Die Wirtschaft stagniert, die Clans rund um Präsident Ortega reissen die wertvollen Unternehmen an sich und die Leute fürchten sich vor den nächsten «Wahlen». Jetzt verstanden wir auch besser, weshalb die Leute zwar freundlich aber ein bisschen distanziert sind. Mit Ausländern zu sprechen sei nicht unbedingt zu empfehlen und politisches auf jeden Fall zu vermeiden. Die Tour war dennoch sehr informativ und wir lernten viel über die Exportgüter Zigarren & Rum. Und der abschliessende Besuch auf dem lokalen Markt brachte uns wieder auf weniger bedrückende Gedanken, denn wer nicht mit einem Grinsen aus dem Tohuwabohu eines zentralamerikanischen Marktes herausläuft, dem ist nicht mehr zu helfen…

Aber auch der Besuch der Museos Convento San Francisco oder die Kayaktour durch die Isletas de Granada waren spannend. Die Inseln sind heute noch mehrheitlich von Einheimischen bewohnt, auch unser Guide ist auf einer solchen aufgewachsen. Als Jugendlicher darf man dann schon mal vierzig Minuten in die Schule rudern. Benzin ist teuer und rudern gesund. 😛 Immer mehr Inseln werden jedoch von Expats gekauft und somit der Community entzogen. Irgendwie schade aber aufgrund der aktuell herrschenden Situation kann ich die Verlockung von ein paar Hunderttausend Dollar gut nachvollziehen…
Die Grenze zwischen Nicaragua und Costa Rica war nicht besonders spektakulär, sicher aber einer der längeren Grenzübertritte unserer Reisegeschichte. Es gab jeweils zwei prall gefüllte Hallen zu durchwarten, einmal Ausreise und einmal Einreise.

Nun gut, auch diese zwei Stunden+ Schlange stehen gingen vorbei, zusammen Warten eint und mit ein bisschen Glück findet man sich in einem interessanten Gespräch wieder. Diesmal mit einem Schweizer Arzt, der Ende der Neunziger Jahre für ein gutes Jahrzehnt an der nicaraguanischen Karibikküste in einer Klinik gearbeitet hat. Null Infrastruktur aber sehr viel Idealismus; eine sehr inspirierende Lebensgeschichte!
Próxima Parada: Costa Rica!


















