Tayrona, Medellin und Zona Cafetera

Noch bevor wir aber nach Medellín reisen, machen wir einen Abstecher entlang der Karibikküste in den Tayrona-Park. Da wir uns gegen das mehrtägige Trekking in der Ciudad Perdida entschieden, haben wir dafür ein wenig mehr Zeit in diesem erstaunlichen Nationalpark eingeplant. Aufgrund einer Empfehlung einer Kollegin (danke tuusig Bettina :-)) haben wir uns am Ende des Parks in einem luxuriöseren Jungle-Bungalow einquartiert – wow, was für ein Paradies!

In absoluter Ruhe und auf einer wunderschönen Anlage konnten wir uns jeweils vom mehrstündigen Trekking im Park erholen oder einfach nur die Seele baumeln lassen.

Mir persönlich hat es richtig gutgetan, nach einem Monat hitziger Grossstadt ein wenig Zeit in der Abgeschiedenheit und Natur zu verbringen – wir werden diesem Wunsch noch mehrere Male folgen, da es lateinamerikanische Metropolen wirklich in sich haben.

Da die Route von Cartagena nach Medellín nicht mehr versprach ausser 15 Stunden unspektakulärer Busfahrt, haben wir uns für den günstigen Flug entschieden. Pünktlich zum offiziellen Beginn der Regenzeit hat sich ein Gewitter über Cartagena entladen, welches unseren Abflug aber um mehrere Stunden verzögerte. Naja, wir werden uns daran gewöhnen müssen, da überall in Kolumbien nun «nasses Wetter» angesagt ist.

MEDELLIN

Und plötzlich sind wir wieder in einer pulsierenden Grossstadt, die unterschiedlicher vom altbekannten Cartagena nicht sein könnte – Medellín! Wir hatten bislang nur Gutes von der ehemals gefährlichsten Stadt der Welt gehört, aber waren zugegebenermassen auch, wie die meisten, ein bisschen «Netflix-gebiased» von deren Vergangenheit und wussten nicht recht, was wir zu erwarten hatten. Aber die «Paisas» haben uns schnell eine Lektion erteilt, zu welcher Transformation Menschen auch in den schwierigsten Umständen fähig sind:

Es ist mir zwar ein wenig peinlich, aber wir konnten es doch nicht lassen und besuchten das Escobar-Museum. In Erinnerung bleibt mir wohl am ehesten die Rückfahrt mit dem zugekosten Privatfahrer von Roberto Escobar… no further comment needed…

Die «Stadt des ewigen Frühlings» hat fast 4 Millionen Einwohner, ist in ein enges Tal gequetscht und breitet sich entlang der unendlich steilen Hängen in alle Richtungen aus. Ein Highlight und einzigartig in Kolumbien ist die Metro und die dazugehörigen «Metro-Cable», die einige Barrios (Stadteile) in den Berghängen mit dem Zentrum verbinden. Sämtliche öffentliche Verkehrsmittel sind penibel sauber gehalten und durch Lautsprecher wird in allen Stationen die «Cultura Metro» verkündet, die einen erinnert, dass man doch der älteren Damen den Platz freigeben und sich anständig verhalten soll.

Ausblick vom Metro-Cable auf einen Teil der Stadt
Metro-Linie durch das Stadtzentrum

Die denkbar besten Voraussetzungen hatte Medellín in den 30ern, als das Industrialisierungs-Herz von Kolumbien und dank der Eisenbahnlinie der Hauptverkehrsknotenpunkt für den Kaffee-Transport im ganzen Land. Als florierende Stadt war sie über die kommenden Jahrzehnte aber auch Auffangplatz für viele Kolumbianer aus anderen Regionen, die vor den verschiedenen Konflikten mit den Guerillas, Paramilitär oder FARC flüchteten. Das dunkelste Zeitalter der Stadt begann jedoch in den 80er mit dem Aufstieg des Medellín-Kartells. Die Stadt und deren Einwohner litten unter einem unerbittlichen Drogenkrieg, Anschlägen und einer unvorstellbaren Kriminalität, die das öffentliche Leben teilweise zum Erliegen brachten. Es gibt unzählige Geschichten und Mythen über diese Zeit, welche vor allem Pablo Escobar auch als Wohltäter darstellen, sodass es tatsächlich auch heute noch Anhänger gibt. Aber auch nach der Zerschlagung des Kartells 1993 blieb Medellín die Stadt mit der höchsten Mordrate weltweit und obwohl sie heute viel sicherer ist, gibt es nach wie vor Gebiete, die kein Einwohner freiwillig betreten würde. Aber es werden viele Anstrengungen unternommen, die Sicherheit zu erhöhen. Die Polizeipräsenz ist enorm, von privaten Sicherheitspersonal bis zum schwer bewaffneten Militär läuft man kaum einen Block. Der Justizpalast, die Stadtverwaltung und Sitz des Bürgermeisters befinden sich nun auf den mit Neonröhren künstlerisch gestalteten «Plaza de Luz», der noch vor wenigen Jahren einer der gefährlichsten Orte in Medellín war.

Die Einwohner der Region Antioquia mit der Hauptstadt Medellín nennen sich «Paisas». Damit einhergehend beschreiben sie nicht nur die geografische Lage, sondern auch ihren Charakter. «Paisas» sind wohl die stolzesten Einwohner Kolumbiens und sind im ganzen Land bekannt als clevere, wenn auch ein bisschen schlitzohrige Verkäufer.

Beat verspeisst das traditionelle Menu “Bandeja Paisa” der Region – wie alles in Kolumbien: Unmengen von Kalorien in Form von Fleisch, Wurst, Reis, Arepa, Bohnen, Avocado und Bananen
Wenn wir so weiterfuttern sehen wir bald aus wie eine der Figuren vom Nationalkünstler Fernando Botero….:-)

Sie haben einen unglaublichen Elan und wie uns erklärt wurde, behaupten sie ein «selektives Gedächtnis» zu haben – sprich sie versuchen sich nur an die positiven Erlebnisse zu erinnern und das Leben mit seinen kleinen Freuden zu geniessen. Ich kann nicht beurteilen, ob diese Lebenseinstellung ein «natürliches Resultat» ist, wenn man vom ständigen Terror umgegeben ist oder aber das Erfolgsrezept, wie es den Menschen in Medellín gelungen ist, ihre Stadt – ich weiss nicht, wie ich es anders sagen soll – «aus dem Dreck zu ziehen» und zu einer kosmopoliten, szenigen und innovativen Weltstadt zu transformieren.

Ich presönlich finde in diesem Schnappschuss alles, was Medellin ausmacht.

Aber wir haben auch von den Kolumbianern gelernt, dass es immer zwei Seiten einer Geschichte gibt und nirgendwo im ganzen Land scheint dieses Konzept besser zuzutreffen als in Medellín. Während der zwei mehrstündigen Walking-Tours, die wir mit einer NGO in Medellín absolviert haben, erlaubten uns die fantastischen Guides ein Einblick in beide Seiten der Medaillen und beantworten alle unsere Fragen. Ein weiteres Beispiel dieser unglaublichen Transformation, die aber noch lange nicht abgeschlossen ist, ist das Barrio Moravia. Die Tour beginnt vor einem grünen, mit Blumen bewachsenen Hügel inmitten der Stadt, sieht irgendwie aus wie ein Stadtpark mit ein paar vereinzelten typischen selbstgebauten Häuschen drauf. Mir klappt die Kinnlade herunter, als ich erfahre was sich genau hinter – oder respektive unter – diesem vermeidlichen Naherholungsgebiet versteckt: Tonnen von Abfall aus dem Grossstadtleben….

In den 70ern haben sich die unzähligen Bauernflüchtlinge aus dem Umland neben der Mülldeponie inmitten von Medellín niedergelassen, weil sie nirgendwo sonst eine Unterkunft bezahlen konnten. Mit immer mehr Leuten kam immer mehr Abfall, sodass sich die Menschen in ihren behelfsmässigen Unterkünften irgendwann mitten auf dem Müllberg niedergelassen haben, welcher auf 50 Meter Höhe anwuchs!!! 2010 wollte die Stadtverwaltung dem ganzen ein Ende bereiten und die Bewohner zwingen, umzuziehen. Sie offerierten allen Bewohnern (die bislang weder Steuern noch sonstige Abgaben entrichteten) eine eigene Wohnung. Klingt ja schon ganz gut, nur dummerweise war diese Wohnung am anderen Ende der Stadt in einem Steilhang, und da die meisten Bewohner mit den typischen fahrbaren Verkäuferladen im Stadtzentrum arbeiten, weigerten sie sich umzuziehen. Im Weiteren, wie in den vielen ärmeren Barrios, haben sich die Leute ihre Häuser, Strassen und Abwassersysteme eigenhändig gebaut – was man denen auch ansieht. Die meisten Unterkünfte sehen schief und wacklig aus, sind aus einzelnen verschiedenen Baumaterialien und meist mit einem «noch nicht fertiggestellten» zweiten Stockwerk oder Blechdach. Obwohl es für sie gesundheitlich sehr problematisch ist dort zu leben (man stelle sich vor, das Gartengemüse, welches sie selber essen, wächst auf einer Mülldeponie), wollen sie ihr «Heim» nicht verlassen..

Aber es gibt unzählige andere innovative Ansätze der Stadt, um die Lebenssituation der Anwohner zu verbessern. Beispielsweise gibt es viele Sportplätze und Gemeindezentren für Kinder und Jugendliche, wo sie gratis verschiedenen Aktivitäten nachgehen können. Auf fast jeder Mauer prangt ein gespraytes Kunstwerk und bringt Farbe in die Stadt – organisiert von Strassenkünstler in Armenvierteln.

Eines der vielen Graffiti in der Stadt: Der junge zeigt in Richtung “Berg” von Moravia

Die landesweite Kampagne, übersetzt «Ein Nerd zu sein zahlt sich aus» finanziert den besten 10’000 Schüler aus den Armenvierteln in Kolumbien einen Studienplatz an der Universität ihrer Wahl. Es wirkt auf mich, als ob alles getan wird, um die nächste Generation von der Strasse wegzukriegen, sinnvoll zu beschäftigen und somit eine attraktive Zukunft zu ermöglichen. Und obwohl noch einiges im Argen liegt, wie beispielsweise, dass nur 50% der Kolumbianer einer «offiziellen» Arbeit nachgehen und somit versichert sind und Steuern zahlen, erscheint mir persönlich der Wandel nicht mehr umkehrbar. Ich ziehe den Hut vor der Stadt und deren Einwohnern, sie haben mein Bild von Kolumbien sehr positiv geprägt.

Neben weiteren Museumsbesuchen und einigen feuchtfröhlichen Nächten mit Freunden aus Cartagena, haben wir auch einen Ausflug ins zwei Stunden entfernte Guatapé gemacht. Das verschlafene Städtchen ist mit seinen farbigen Häuschen eine Sehenswürdigkeit an sich, der unübersehbare «La Piedra» war aber der eigentliche Grund unseres Besuchs.

Der gigantische Granitstein ist mit 700 Stufen zu erklimmen und ermöglicht einen spektakulären Ausblick auf die spezielle Landschaft. Keuchend kriechen wir die Stufen rauf und ich kann es kaum fassen, als ein altes Manndli, beladen mit unzähligen Bierdosen auf dem Rücken für das Restaurant auf dem Berg, an uns vorbeizieht – ich muss dringend an meiner Fitness abreiten 🙂

Also weiter im Takt und in den Bus – auf zur Zona Cafetera im Herzen von Kolumbien.

ZONA CAFETERA – MANIZALES & SALENTO

Nach einer mehrstündigen Fahrt über gefühlte tausend Kurven rauf und runter ins Tal, krieche ich ein wenig grün im Gesicht aus dem Bus in Manizales, Hauptstadt der Region Caldas. Eine typische Grossstad von Kolumbien – über 2000 Meter und folglich mit unendlichen steilen Strassen, dünner Diesel-geschwängerter Luft und saukalt-regnerischem Wetter – hei gefällt es mir hier…NOOOT! Da die Wände wie Papier und die Fenster etwa Trinkglas-dick sind, vermisse ich bereits das brütend heisse Cartagena und schmiede heimliche Fluchtpläne an die Küste.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.. So viel zum spassigen Manizales 🙂

Aber nicht so schnell, mein Liebster scheint in der Kälte förmlich aufzublühen (was für eine Überraschung…) und die Schmerzen in seiner Leiste sind fast wie weggeblasen. Also sei’s drum, ich montiere sämtliche Kleider, die mein Rucksack herzugeben hat und finde mich damit ab, dass es auch auf den weiteren Reisezielen ein bisschen fröstelig wird.

Ein bisschen Farbe kann beim grauen Himmel ja nicht schaden..

Aber ich will nicht übertreiben, am nächsten Tag und ca. 200 Meter weiter unten reisse ich mir bei strahlender Sonne bereits die Daunenjacke vom Leib – wir sind in der Hacienda Venezia angekommen, eine der grössten Kaffee-Plantagen in Kolumbien. Während einer mehrstündigen Tour lernen wir alles über den Rohstoff Nr. 1 und ganzen Landesstolz.

 

Neue Setzlinge für die Plantage
Der Experte weiss genau, welche Bohnen reif sind 🙂
Auslage zum Trocknen der Bohnen

Schon häufig ist uns aufgefallen, dass Kaffee in Kolumbien mehr als nur ein Getränk zu sein scheint, es prägt die Kultur und auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, da die Regionen mit Plantagen von den meisten Investitionen in die Infrastrukturen profitieren. Ironischerweise bleibt den Kolumbianern mit ihrem «Tinto» aber nur ein schwarzbraunes, wässriges Gesöff, dass nur mit sehr viel Zucker trinkbar wird. Die besten Bohnen, welche den Kolumbianischen Kaffee weltberühmt gemacht haben, sind eben nur für den Export gedacht und für die meisten Kolumbianer unerschwinglich.

Links: 3. Auswahl wird für den Tinto genutzt – Rechts: 1. Auswahl für den Export

Während der Tour dürfen wir aber die exklusivsten Sorten probieren und wir, die sonst naserümpfend den Kaffee verschmähen, können dem Getränk plötzlich doch etwas abgewinnen – wahre Gourmets halt J Nein ernsthaft, anscheinend werden in den Exportländern die Bohnen viel zu stark geröstet, um Geschmacksdifferenzen zu übertönen, sodass der elendig bittere Nachgeschmack im Kaffee entsteht. Wieder so ein AHA-Effekt wie bei der Schoggi-Produktion in Belize – ich frage mich langsam, ob wir in der westlichen Welt überhaupt irgendetwas so konsumieren, wie es natürlich schmecken würde und nicht mit viel extra-chemischen Stoffen Starbucks-tauglich und bis in die Unendlichkeit haltbar gemacht wird..

Weiter geht’s wieder mit dem Bus nach Salento. Das abgelegene Dorf in den Bergen ist ähnlich wie Guatapé, rein an sich einen Besuch wert. Herzige kleine Strässchen, lokale Restaurants und die ruhige Stimmung wird einzig unterbrochen durch das Klacken der Pferdehufe, die hier als Haupttransportmittel für Mensch und Ware verwendet werden.

Aber auch in diesem Fall ist die eigentliche Attraktion eine andere: das Valle de Cocora. Zwischen 2000 und 2400 Metern Höhe wächst hier eine ganz spezielle Wax-Palme, welche bis zu 45 Meter, einzelne sogar 60 Meter, hoch werden. Das klingt jetzt ein wenig öde, aber während unser 6-stündigen Wanderung im Gebiet eröffnen sich spektakuläre Ausblicke auf eine surreale Landschaft. Auf der einen Seite sieht es aus wie eine Schweizer Alpenwiese, mit Gras und Kühen und allem Drum und Dran. Dann dreht man sich um und hinter den Nebelschwaden sind die einzeln verteilten Palmen zu erspähen – flashig!

Als Teil unserer geführten Tour um mehr über die Biosphäre der Region zu erfahren, durften wir sogar selber unseren Setzling pflanzen, der sich hoffentlich in xy-Jahren zu einer dieser mächtigen Palmen entwickelt wird 🙂

Aber Überraschung, auch hier gib es noch eine andere Seite der Geschichte: Ein Tag zuvor hatten wir die Gelegenheit zu einer Tour durch ein Jungle-Naturreservat in der Nähe von Salento mit einem unglaublichen Guide. Selten habe ich jemanden gesehen, der so passioniert ist für sein Gebiet und dessen Expertise sich wohl aus einer lebenslanger Hingabe speist. Die drei Stunden vergingen wie im Flug und zum Schluss konnten wir seine, aus recycelten Materialen und komplett umweltverträgliche, selbstgebaute Jungle-Lodge, besuchen. Er hat uns auch erklärt, dass die Palmen im Valle eigentlich nur «Überbleibsel» der Rodung zur kommerziellen Holznutzung sind. Es werden keine neuen Palmen auf diesem Wiesenplateau wachsen, weil die Bedingungen nicht geeignet sind. Wie vieles andere, stammen die Gras-Wiese, die Kühe und Pferde nämlich nicht ursprünglich aus Kolumbien, sondern sind während der Kolonialisierung mit den Spaniern eingeführt worden. Aber da wir dies bereits wussten, haben wir hoffentlich unseren kleinen Setzling in den «palmen-freundlichen» Jungle-Boden gepflanzt 🙂

Nach der Auszeit in der Natur geht es nun weiter nach Bogota – die 8-stündige Busfahrt war mit dem 1.Klasse-Bus und der wunderbaren Aussicht relativ gut zu ertragen.

Die schiere Grösse von Kolumbiens Hauptstadt mit 10 Millionen Einwohner ist aber kaum vorstellbar. Vom ärmeren Süden in den reicheren Norden erstreckt sich die Stadt über eine riesige Fläche, wo man locker einmal 45 Minuten im Taxi hockt, um ins «Stadtzentrum» zu kommen. Das volle Ausmass zeigt sich auf dem Aussichtspunkt beim Montserrate – wenn man ganz still ist, hört man von dort oben nur noch ein vermischtes Rauschen der unzähligen Hupen, Autos und Sirenen.

Ansonsten ist Bogota irgendwie nicht so mein Ding, da es viel anonymer und abgeklärter wirkt wie irgendein anderer Ort in Kolumbien. Auch habe ich während zwei Monaten keinen einzigen Mann im Designeranzug mit Headset im Ohr oder eine schikimiki Tante im Burberry-Trainingsanzug gesehen – und hier wimmelt es nur so davon. Wobei lecker essen aus den besten internationalen Küchen kann man hier, aber dafür mit gesalzenen Preisen.

Jaja, das war noch vor der Rechnung 🙂

Aber klar, in Bogota läuft die gesamte Wirtschaftskraft von Kolumbien zusammen, das 50 Millionen-Land wird von hier aus regiert und die Zukunft des Landes wird hier entschieden – also war es doch ein Besuch wert um das Bild von Kolumbien abzurunden. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschieden wir uns heute von diesem unglaublichen diversen Land und deren herzlichen Bewohner. Vor uns liegt Ecuador und die Galapagos Inseln – und ich sitze hier grinsend am Flughafen, so fröhlich und unglaublich gespannt auf unser nächstes Abenteuer 🙂

 

 

 

 

Panama, die San Blas Inseln und Cartagena

Panama City

Wie prophetisch Martinas Worte mit «wir werden das schon schaukeln» waren, wussten wir noch nicht als wir in Panama City eintrafen, aber alles schön der Reihe nach! Nach einem kurzen und ereignislosen Flug mit Copa Air sind wir von Belize City kommend in Panama City gelandet. Der Kulturschock hätte nicht grösser sein können; von den «ramshackle huts» Belize Style zu DEM Finanzzentrum Lateinamerikas mit seinen Wolkenkratzern und Grossstadt-Lebensgefühl. Was bei der Akklimatisierung sicherlich half, war der Umstand, dass sich Panama City viel mehr nach Zürich angefühlt hat, verglichen mit Belize City. Zudem hatten meine Leisten nach einem letzten Sandfly-Schock in Caye Caulker wieder dringend eine Generalüberholung nötig. Leider hatten sie sich bis dahin noch nicht erholt und deshalb kam mir das Gefühl von Zivilisation gerade gelegen. Mit dem Pacífica Salud Hospital war glücklicherweise eines der modernsten Spitäler in Lateinamerika zur Hand und ich checkte für 1 Tag VIP-Behandlung ein.

Die Decke ist keine Dekoration, im Spital war es kälter als auf dem Mount Everest…
Die Decke ist keine Dekoration, im Spital war es kälter als auf dem Mount Everest…

Nachdem geklärt war, dass ich auch den nächsten Tag erleben würde, konnten wir uns wieder den kulinarischen Aspekten von Panama City widmen. Die Lokation des Hotels Casa Panamá war perfekt gelegen am Eingang zum Altstadt Viertel «Casco Viejo» und eignete sich bestens als Ausgangslage um die vielfältige Bar- und Restaurantszene auszukundschaften.

Von Sushi…
Von Sushi…
…zu lokalen Köstlichkeiten
…zu lokalen Köstlichkeiten
Wobei man eigentlich nicht weit zu gehen brauchte, im Hotel eine Treppe rauf reichte eigentlich ;-)
Wobei man eigentlich nicht weit zu gehen brauchte, im Hotel eine Treppe rauf reichte eigentlich 😉

Die gut vier Tage vergingen wie im Flug und schon sassen wir im Transfer an die Karibikküste von Panama, von wo aus unser Segel-Abenteuer starten würde! Die Bucht von Puerto Lindo sah sehr friedlich aus im langsam schwindenden Tageslicht und wir konnten gemütlich essen sowie den Rucksack wasserfest einpacken. Um acht Uhr abends ging es los; stockdunkel in einer Nussschale zum Schiff, aber die kleinen Schwierigkeiten beim Entern des Bootes in hohem Wellengang gingen in der allgemeinen Startnervosität unter. Ich war mir immer sicher ziemlich standfest zu sein was Wellengang resp. die potentiell damit einhergehende Seekrankheit betrifft aber wurde ziemlich schnell eines Besseren belehrt. Das Boot Sailing Koala war mit 10 Passagieren und 3 Crewmitgliedern eher überbelegt, der «Aufenthaltsbereich» neben der Küche wurde zu einer weiteren Schlafmöglichkeit umfunktioniert. Und trotz der daraus resultierenden Enge wurde es nach Ankunft auf dem Boot sehr schnell ruhig, die Anti-Seekrankheit Tabletten wurden geschluckt und man sass da. Und wartete.

In der ersten Nacht auf dem Weg zu den San Blas-Insel hatten wir ein bisschen Pech mit dem Wetter und starken Seegang. An Schlaf war jedoch sowieso nicht zu denken, da wir unter Motor fuhren und dieser sich in unserer Kabine geschätzte 30cm von meinem Ohr entfernt befand. Entsprechender Abgas- / Öl-Geruch und passende Abhitze gab’s gratis dazu. Nichtsdestotrotz hat unser Kapitän natürlich Recht, wenn er sagt; «wer die 2er-Kabine hat, hat dafür den Lärm». Das Schiff war in Ok-Zustand, leider immer ein bisschen dreckig und bei hohem Wellengang ging in der Nacht vor meinem Gesicht schon mal das Törchen zum Motorraum auf.

Jetzt aber genug gejammert! Die San Blas-Inseln wurden ihrem Ruf absolut gerecht! Unbewohnte, von weissem Sandstrand gesäumte Insel mit ein paar Kokosnuss Palmen darauf. Sogar ich als gestandener Strand-Verschmäher war angetan… Die Kuna, die einheimischen Bevölkerung, bekamen wir vergleichsweise wenig zu sehen. Sie leben jeweils temporär auf einer der ca. 365 Inseln, bewirtschaften die Kokosnuss Palmen und ziehen nach der Ernte weiter. Der Tourismus ist eine weitere Einkommensquelle und es wird gemunkelt, dass gewisse «Transportunternehmer» eine Gebühr bezahlen um durch dieses von keiner staatlichen Polizei überwachte Gebiet fahren zu dürfen. 😉 Leider wird uns dieses Paradies nicht mehr besonders lange erhalten bleiben; durch den steigenden Meeresspiegel sind schon heute diverse Inseln teilweise oder in Gänze verschwunden.

Good Times
Good Times
Die Strände einfach nur spektakulär…
Die Strände einfach nur spektakulär…
Martina im Hauptverkehrsmodus: Schwimmen
Martina im Hauptverkehrsmodus: Schwimmen
Unsere Kabine. Das rote Tüchli am Boden stellt den verzweifelten Versuch dar, hie & da die Essensreste und sonstigen feuchten Bodendreck von den Füssen zu entfernen. Besonders beliebt bevor man ins Bett steigt XD
Unsere Kabine. Das rote Tüchli am Boden stellt den verzweifelten Versuch dar, hie & da die Essensreste und sonstigen feuchten Bodendreck von den Füssen zu entfernen. Besonders beliebt bevor man ins Bett steigt XD
Der einzige Aufenthaltsraum, das Cockpit. Inklusive unserem Lieblingsmatrosen José!
Der einzige Aufenthaltsraum, das Cockpit. Inklusive unserem Lieblingsmatrosen José!

Die drei Tage Strandleben gingen schnell vorbei und es war Zeit sich zu verabschieden. Vor uns lagen knapp zwei Tage offenes Meer; in meiner romantischen Vorstellung von Segeln der eigentliche Höhepunkt des Ausfluges! Mit meinem brandneuen Segelschein in der Tasche habe ich auf möglichst viele Stunden unter Segel gehofft. Ein bisschen am Ruder stehen und dann am Bug sitzend lesen und der leise vor sich hin gurgelnden Bugwelle lauschen…

Nun ja, ich habe gelernt, dass auf offener See auch (laut unserem Kapitän) «normaler» Seegang durchaus intensiv sein kann. Wir sind mit Ausnahme der ersten Nacht nur unter Motor gefahren um a) schneller zu sein und b) die Wellen besser anfahren und somit das Rollen (Schaukelbewegung entlang der Längsachse) und Stampfen (Bug bewegt sich auf und ab beim Durchbrechen der Wellen) vermindern zu können. Im Endeffekt war mir das durchaus Recht, denn in Realität darf man sich aufgrund der starken Bootsbewegung sowieso nur im Cockpit aufhalten, Kochen ist trotz Schwenkherd nicht möglich und das flaue Gefühl im Magen lässt keine wirkliche Lust zum Lesen (oder irgendetwas anderes zu tun) aufkommen. Aber hey, irgendwann geht alles vorüber und im Gegensatz zu anderen Passagieren habe ich mich nie übergeben!

Auf dem Weg aufs offene Meer oder Denn sie wissen nicht was sie tun…
Auf dem Weg aufs offene Meer oder Denn sie wissen nicht was sie tun…

Nach gut 40 Stunden sind wir ziemlich erschöpft, stinkig und feucht aber sicher und wohlbehalten in Cartagenas wunderschöne Bucht eingelaufen. Als kleines Abschiedsgeschenk des Sailing Koalas war der meinen Rucksack umschliessende Abfallsack ca. 30cm mit Wasser gefüllt und das dem Gestank nach zu urteilen seit der ersten stürmischen Nacht.

Cartagena

Nueva Lenga
Unsere Sprachschule Nueva Lenga hat bereits am ersten Tag Punkte gesammelt, als wir direkt vom Segelboot kommend, eines ihrer Zimmer zum Duschen benutzen durften. Was für ein Gefühl!! Nach diesem herzlichen Empfang und einigen organisatorischen Erledigungen aufgrund meines komplett nassen und sehr übelriechenden Reisegepäcks konnten wir sogar noch am Welcome Lunch mit den anderen Neulingen teilnehmen! Insgesamt hatten wir jeweils zwei Wochen Gruppenunterricht und darauffolgend zwei Wochen Privatunterricht gebucht. Die Schule ist super zentral gelegen, im Herzen von Getsemani. Auch der Studentenmix war aus meiner Sicht absolut zufriedenstellend, es gab zwar viele Schweizer aber zumindest war es keine Mehrheit… 😉 Und wie sich herausstellen sollte, ergaben sich die meisten Spanisch-Trainingsmöglichkeiten sowieso im alltäglichen Leben, beim Einkaufen, Essen und in der Gastfamilie. So war es auch nicht weiter schlimm in der Pause mal Englisch oder Deutsch zu sprechen. Insgesamt hat mir die Schule sehr gut gefallen, wenn auch die Unterrichtsqualität stark vom jeweiligen Lehrer abhing. Gruppen- als auch Privatunterricht empfand ich als durchaus intensiv und in Kombination mit Hausaufgaben und dem «Voci lernen» war es auch mehr als genug.

Gastfamilie Murra
Auf Betreiben Martinas hin haben wir uns gegen ein Hostel oder AirBnB und für eine Gastfamilie entschieden. Ein goldrichtiger Entscheid wie sich zeigen sollte, Vielen Dank Tiinchen für das insistieren! Wir waren bei Jackeline Murra im Stadtteil Manga untergebracht, ca. 15min Fussweg von der Schule resp. Getsemani entfernt.
Exkurs Schulweg: Mit dem obligatorischen Wasser-Kauf-Stop im Carulla Express unseres Vertrauens, der Frühstückscombo «Red Bull & Zigi» im Parque Lácides Segovia und optional einem Cafecito aus der Tankstelle konnten durchaus auch 45min daraus werden. Nach einem Monat Trainingszeit spulten wir unser Programm jeweils ab wie alteingesessene Manganer.

Unser Hänger-Pärkli Lácides Segovia
Unser Hänger-Pärkli Lácides Segovia

Aber zurück zu Jacky und ihrer extrem liebenswürdigen Mutter, unserer Abuelita. Jeden Montag sowie Dienstag kam Abuelita bei uns vorbei und hat super leckeres Essen gekocht. Es war so gut, dass wir nicht nur kiloweise zugenommen haben, sondern Martina sich einen Nachmittag als Gehilfin verdingen musste um an ihre Geheimrezepte zu kommen… 😀

Abuelita <3
Abuelita <3

Als kleiner Bonus war unser Mitbewohner Sven auch aus der Schweiz. Ein echt aufgestellter Junge und immer für ein Bierchen zu haben, sieh. weiter unten. 🙂

The City
Die Stadt heisst mit vollem Namen eigentlich Cartagena de Indias und war einst der wertvollste Hafen innerhalb der Übersee Besitzungen der Spanischen Krone. Die 1x jährlich ab Cartagena verkehrende «Festlandflotte» bestand aus diversen Handelsschiffen sowie Kriegsschiffen als Begleitschutz. Insgesamt gab es für das ganze südamerikanische Kolonialreich nur zwei dieser Flotten, die Zweite lief den Hafen von Vera Cruz in Mexiko an. Wenn man nun bedenkt, dass diese Handelsflotten per königlichem Dekret das Monopol innehatten, kann man sich vorstellen, welche unermessliche Reichtümer diese transportierten. Alles was von den Spaniern jeweils innerhalb eines Jahres (auf extrem grausame Art und Weise) aus diesem Kontinent gepresst werden konnte, ging entweder durch Cartagena oder Vera Cruz. Für uns Bewohner des 21igsten Jahrhunderts bedeutet dies zuerst einmal, dass wir eine unglaublich schöne Altstadt zu bestaunen haben, UNESCO Weltkulturerbe-Label inklusive. Die eigentliche Altstadt aber auch das ein bisschen jüngere Getsemani sind Postkartenmaterial pur…

Die Plaza de la Aduana, ehemaliges Eintrittstor in die Stadt wo die königlichen Zollbeamten ihre Arbeit versahen
Die Plaza de la Aduana, ehemaliges Eintrittstor in die Stadt wo die königlichen Zollbeamten ihre Arbeit versahen

Die berühmte Plaza de la Trinidad in Getsemani; Mittwoch abends trifft sich hier (fast ;-) die ganze Stadt zum Mojito Trinken für 10'000 Pesos
Die berühmte Plaza de la Trinidad in Getsemani; Mittwoch abends trifft sich hier (fast 😉 die ganze Stadt zum Mojito Trinken für 10’000 Pesos

Aber auch dem Bevölkerungsmix merkt man diese Rolle als Handelszentrum immer noch an, da alle Sklaven über den Sklavenmarkt von Cartagena verkauft wurden. Im Vergleich zu Medellín ist der vorherrschende Haut Ton in Cartagena sehr viel dunkler, wobei die Mischform der Mulatten den Hauptteil ausmacht. Heute hat die Stadt ungefähr eine Million Einwohner und ist in ihrer geografischen Ausdehnung riesig. Als Tourist ist man grundsätzlich nur in einem kleinen Teil davon unterwegs; in der Altstadt (inkl. Getsemani) oder auf dem Bocagrande. Manga ist bereits geprägt vom kolumbianischen Mittelstand und alles nach der Brücke die Manga ostwärts verlässt ist das «andere Cartagena».

Sicht von Manga aus auf die innere Bucht Richtung Bocagrande
Sicht von Manga aus auf die innere Bucht Richtung Bocagrande

Das Klima ist ganz klar tropisch; feucht & heiss. Ein Tag an dem ich Morgens um 9 Uhr weiter als 100m zu Fuss gekommen wäre, ohne mein T-Shirt gut angeschwitzt zu haben, ist mir nicht begegnet. Die zweite Dusche nach der Rückkehr um 14 Uhr eigentlich Standard, evtl. eine Dritte vor dem Ausgehen am Abend. Jeder einzelne Raum der Schule war mit Klimaanlage ausgestattet, und auch sonst versucht jeder, der etwas auf sich hält, für kühlere Temperaturen zu sorgen; jedes Geschäft, jedes Cafe, etc. Dass die guten Leute dabei meist ein bisschen ins andere Extrem abgleiten ist eine andere Geschichte… Bekanntermassen bekommen diese klimatischen Bedingungen meiner Liebsten ein bisschen besser als mir aber ich muss hier fairnesshalber erwähnen, dass auch sie jeweils gelitten hat. Veranschaulichen lässt sich das am besten am Standardgespräch mit den einheimischen Taxifahrern: «Ahh Suiza! Muy frío, que bueno!»

El Milagro
Martinas cooler Lehrer Jesús hat zwei Jobs; morgens unterrichtet er in der privaten Sprachschule und nachmittags in der staatlichen Mittelstufe in El Milagro. Dieses Viertel liegt tief im Süden des «anderen Cartagena» und wir hatten die Möglichkeit Jesús einen Nachmittag lang zu begleiten. Wir wurden wie überall in Kolumbien super nett Empfangen, natürlich mussten wir auch im Lehrerzimmer unsere Aufwartung machen… Die Kids seiner Klasse waren super aufgestellt und nach einer anfänglichen Zurückhaltung haben sie uns dann mit allen wichtigen Fragen des Lebens gelöchert (aka «wer ist der beste Fussballer»). Die Klassengrösse war mit ca. 30 Kindern eher gross und entsprechend war der Lärmpegel. In Kombination mit der gefühlten Aussentemperatur von 38° Celsius und einer durch Abwesenheit glänzenden Klimaanlage kam bei mir persönlich jetzt nicht wirklich Lernbereitschaft auf. Aber siehe da! Entlang der linken Seite des Klassenzimmers sassen die fünf «Streberjungs» der Klasse, mit dem Gesicht zur Wand und leise vor sich hinarbeitend. Laut Jesús wohl auch die einzigen, welche Chancen auf eine weiterführende Bildung und vielleicht sogar Universität hätten… Hut ab Jungs & weiter so!

Etwa die Hälfte des Klassenzimmers, Modus Gruppenarbeit
Etwa die Hälfte des Klassenzimmers, Modus Gruppenarbeit
Nein, das waren nicht die «Streber», das waren die «Coolen» ;-)
Nein, das waren nicht die «Streber», das waren die «Coolen» 😉

Uni again?
Jacky, unsere Gastmutter, ist Professorin für Finanzwirtschaft an der Universität Fundación Tecnológico Comfenalco in Cartagena. Wir haben (zumindest im Rahmen meiner bescheidenen Spanisch-Kenntnisse 😉 ein paar Mal über ihre Arbeit gesprochen und entdeckt, dass es zwischen dem sie beschäftigenden Department und meiner Ausbildung gewisse Überschneidungen gibt. Sie arbeitet im Bereich Industrieautomatisation und einige ihrer Studenten beherrschen auch Programmiersprachen. Schwups, und schon folgte eine Einladung und wir bekamen eine Führung durch das neue Automatisierungslabor des Departments.

Martina & Sven lauschen den Erklärungen
Martina & Sven lauschen den Erklärungen

Gleich darauf sind wir zusammen in Jacky’s Englischlektionen gegangen; sie ist dabei Englisch zu lernen, Respekt, da eher selten in Kolumbien auch für höhere Bildungsschichten. Wir wurden ziemlich unverhofft und sehr intensiv mit einbezogen, mussten korrigieren und Noten vergeben. Im Endeffekt war’s sehr lustig und wer weiss, vielleicht haben sie trotz all dem vielen Lachen was gelernt. Das musste natürlich sofort in unserem Lieblings-Food Market «Arepas El Jefe» mit einem Bierchen begossen werden…

Sven und sein gar nicht leides Club Colombia Roja im El Jefe
Sven und sein gar nicht leides Club Colombia Roja im El Jefe

Kleiner Exkurs zum Arepas El Jefe; der Food Market war klein aber fein und vor allem, direkt vor unserer Haustür! Abends konnte man von unserem Wohnzimmer aus den Fortschritt beim Standaufbau beobachten, das Eintreffen als erste Kunden war somit garantiert. 😉

Ahhh, es tut sich was…
Ahhh, es tut sich was…
El Jefe!
El Jefe!

Irgendwie kam Jacky dann auf die sehr interessante Idee, ich sei sicher ein Experte für Artificial Intelligence; das Thema sei heute ja super modern, in ihrem Department wisse aber niemand so genau was das denn genau sei und ich könnte da sicher Abhilfe schaffen. Naja… Nachdem wir aber Englisch als Vortragssprache ausgehandelt und ich ein bisschen Erwartungshaltungsmanagement betrieben hatte, willigte ich ein. Wann sonst kommt man mit dem kolumbianischen Uni Alltag so auf Tuchfühlung?

Jacky begutachtet die Vortragsvorbereitungen
Jacky begutachtet die Vortragsvorbereitungen

Wie es sich herausstellen sollte, war die Simultanübersetzung aber auch dringend notwendig, bis auf zwei Ausnahmen konnte kein Student auch nur ein bisschen Englisch. Das fand ich für diese Bildungsstufe und vor allem auch ihre Studienrichtung schon ziemlich krass. Und als es später darum ging, welches nun die ersten Schritte sein sollten um in dieser Materie Fuss zu fassen, musste ich mir ein bisschen auf die Zunge beissen um nicht herauszuplatzen «lernt Englisch». Klassennamen, Comments und allgemein Coden auf Spanisch? Bbrrr… 😛
Eine glückliche Fügung wollte es aber, dass mein Simultanübersetzer in früheren Jahren in Mexiko selbst zu einer Vorgängertechnologie von Machine Learning doktoriert hatte und ihm deshalb das entsprechende Vokabular vertraut war! Das half sehr viel und die anschliessende Diskussion war sehr lebhaft und interessant.

Pflichtgruppenfoto im Auditorium
Pflichtgruppenfoto im Auditorium

Wow, was für ein Tag… Und das Fazit wie immer das Gleiche; wie schnell man in Kolumbien aufgenommen und integriert wird, einfach schwierig nachzuvollziehen für uns «eher» zurückhaltenden Schweizer!

El Castillo
Das Castillo San Felipe de Barajas thront an der oberen rechten Ecke über Getsemani und ist von vielen Orten der Stadt zu sehen. Da Cartagena für die Spanier so wichtig war (sieh. weiter oben), hat man sich schon früh mit Verteidigungsbauwerken aller Art beschäftigt. Die in der Altstadt und um Getsemani weitgehend erhaltene Stadtmauer und auch die Eckbefestigungen derselben, genannt Baluartes sind ein Beispiel. Auf einigen Baluartes wurden Bars oder Restaurants eingerichtet, so auch einer meiner Lieblingsplätze, die Casa de la Cerveza auf der Baluarte del Reducto… 😉 Der absolute Höhepunkt stellt aber das Castillo San Felipe dar, das grösste Bauwerk dieser Art, welches die Spanier jemals in einer ihrer Kolonien gebaut haben. Es wurde in mehreren Etappen erweitert als auch verstärkt und dies wurde mehrfach auf die Probe gestellt. Nachdem das Castillo den vorher häufigen (privaten) Piratenangriffen ein Ende gesetzt hatte, kam es zu grösseren Schlachten mit staatlichen Akteuren, darunter die einfach als «Schlacht von Cartagena de Indias» in die Geschichte eingegangene Auseinandersetzung mit den Briten. Aufgrund der kampferprobten Besatzung der Batterien, der perfekten Lage und der intelligenten Bauweise gelang es den Spaniern unter Blas de Lezo mit ungefähr 3’000 Mann ein Expeditionsheer von 30’000 Mann zurückzuschlagen. Das ist umso beeindruckender als 29 «Ships of the Line» der Royal Navy den angreifenden Briten als schwimmende Artillerie dienten, und das war so ungefähr das gfürchigschte, was damals auf den Weltmeeren unterwegs war!

Kanonier Beat feuert unvorsichtigerweise (zu meiner Verteidigung: in die früher dort nicht existierende) Stadt hinein
Kanonier Beat feuert unvorsichtigerweise (zu meiner Verteidigung: in die früher dort nicht existierende) Stadt hinein
Das Bauwerk hat eine auch für heutige Massstäbe beeindruckende Grösse
Das Bauwerk hat eine auch für heutige Massstäbe beeindruckende Grösse

Fazit Cartagena
Einen Monat in das Leben einer kolumbianischen Stadt und Familie einzutauchen war echt nice! Wie ich mir erhofft hatte, hat sich mit der Zeit so etwas wie Alltag eingestellt. Und obwohl wir nach Ablauf des Monats wohl genau vor diesem Alltagsgefühl geflüchtet sind, fand ich es toll dies ein erstes Mal im Ausland erleben zu dürfen.

Zudem waren es unsere ersten Eindrücke von Kolumbien überhaupt! Hitzig, quirlig, ein bisschen chaotisch aber die Leute… Einfach genial! Ich weiss, jeder sagt, wenn er aus den Ferien zurückkommt etwas wie; «Alle waren so nett, die Leute sind mega freundlich, etc, etc» aber hier hat es echt was! Sie waren eben nicht einfach nur nett wie die Verkäuferin am VBZ-Schalter, nein, sie waren herzlich und (fast) immer ernsthaft interessiert an dir und deiner Geschichte! Und es ist eher die Regel, dass ein 5minütiges Gespräch mit einer Einladung zu ihnen Nachhause endet. Inklusive Telefonnummer und einer genauen Wegbeschreibung.

Wie wir im Verlauf der Reise herausfinden werden, ist Kolumbien ein extrem diverses Land und Cartagena damit nicht zwingend repräsentativ für das restliche Land. (Die «anderen» Kolumbianer haben auch durchaus ihre Meinung über die Costeños und ihre Art zu Leben.) Was bisher aber immer gleichgeblieben ist, ist die offene & herzliche Art mit uns und ihren Mitmenschen umzugehen!

Jetzt heisst es aber: Medellín, wir kommen!